Japanische Fesselkunst, Shibari – „das mit den Seilen“. Du findest es öfters auf meiner Homepage? Was hat es damit auf sich? Was hat es mit BDSM zu tun? Ist es immer gemein? Und was hilft es Asexuellen? Ich versuche mich an einem vielschichtigen Überblick dieser doch tieferen Kunstform.
Traditionell mit mehreren 8m Hanf- oder Juteseilen durchgeführt, diente Shibari ursprünglich der Vorführung von Gefangenen oder deren Festsetzung (Hojo-Jutsu) – aber auch als Kunstform oder erotische Spielart – ihre Verwendungen sind vielseitig. Heute sieht man die mehr oder weniger kunstvollen Fesselungen häufig im Fetisch und BDSM Bereich. Tatsächlich überlappen sich beide Communities, aber nicht jeder, der Shibari mag, mag BDSM und umgekehrt. Shibari bietet eine andere Ebene für Intimität als Sex, und tolle Möglichkeiten, mit sich und seinem Körper in Verbindung zu treten.
Die fesselnde Person wird als Rope-Top oder gebräuchlicher „Rigger“ bezeichnet. Für den, der gefesselt wird, sagt man im BDSM oft Rope-Bunny (nicht abwertend gemeint!!!), Rope-Bottom oder japanisch „Ukete“ (der Empfangende).
Es gibt zahlreiche Stile (zart bist hart) und Philosophien im Shibari, je nach der Schule, der man folgt. Ich selbst lernte von einem Schüler von Hajime Kinoko. Dieser ist derzeit vA für seine Rope-Art bekannt, seine spektakulären Installationen mit Seil. Soweit ich weiß, gilt er eher als „Handwerker“ mit dem Seil, weniger als emotionaler Fessler (wie zB die Richtung, in die Steve Osada fesselt). Ich lerne selbst noch dazu und teile hier in diesem Beitrag meine Erfahrungen unter verschiedenen Gesichtspunkten.
Shibari und mein Selbstbewusstsein
Als Rigger/Fesselnde habe ich Verantwortung für Dich, meinen Partner. Ich halte Dich. Ich gebe Dir Raum. Vielleicht fordere ich Deine Grenzen heraus. Aber ich brauche dafür das Selbstvertrauen, dass ich für Dich den Raum auch öffnen und halten kann, damit Du Dich fallen lassen und die Erfahrung genießen kannst.
Vertrauen in meine Fähigkeiten sollte auch da sein – denn Du spürst jede Unsicherheit über unsere Seilverbindung. Genauso kann ich über das Seil allerlei an Dich vermitteln: Sicherheit, Dominanz, Fokus, Intimität.
Gleichzeitig muss ich wissen, was ich tue und mich nicht selbst überschätzen. Ein Rigger muss die Souveränität besitzen, eine Fesselung zu beenden, abzubrechen – oder die Seile zu zerschneiden, wenn notwendig.

Wie steht es um dein Selbstvertrauen? Was ist dein Seil, über das du (subtil?) mit anderen kommunizierst? Was kommt von dir bei deinem Gegenüber an? Selbstsicherheit? Dominanz – echte oder verzweifelt-aufgesetzte? Entspanntheit? Nervosität?
Shibari als asexuelle Ausdrucksform von Intimität

Ich habe mich lange als asexuell identifiziert. Einfach so gefühlt. Sex interessierte mich nicht und das Thema an sich war mir unangenehm.
Dennoch sehnte ich mich nach Nähe und einem Ausdruck von Intimität. Halt ohne sexuelle Erwartungen dahinter. Shibari war mein erster Kontakt zur Sexualität überhaupt, eben WEIL sich keiner dabei ausziehen musste. Es war intim und doch nicht. Es war für mich ein echter safespace um Intimität zu erlernen und meinen Beziehungen zu anderen eine ganz andere Tiefe zu verleihen.
Ich hatte ein abstraktes Bedürfnis nach Nähe, doch ich schreckte davor zurück, andere zu berühren.
Ich wollte nicht in eine unvorhersehbare Situation gelangen, in der ich meine eigenen Grenzen nicht kannte, meine Komfortzone noch null abschätzen konnte.
An der Uni Kyoto, wo ich meinen Master machte, gab es einen Zirkel für japanische Fesselkunst, Shibari, der mich sehr stark anzog.
Es war für mich ein Schritt in eine neue Welt. Meine Welt.
Von Kontrolle und Hingabe. Von Sanftheit und Dominanz.
Und ich lernte, dass andere in meinen Armen schmolzen, sich entspannten. Das war toll!
Und ich wollte sie festhalten, führen, beschützen.
Keiner musste sich dafür ausziehen.
Kanntest du Shibari bisher nur im sexuellen Kontext?
Das ist zu kurz gefasst und beschneidet es um einen Großteil seiner Magie: dem zwischenmenschlichen Flow, dem Energieaustausch, dem Halten, dem Führen.
Fließen beim Fesseln – der energetische Raum

Ich fessle schon eine Weile. Kein Hängebondage, ich mag Floorwork, (die Arbeit am Boden), und Ipponnawa, das Fesseln nur mit einem einzigen Seil, das nie festgeknotet und losgelassen wird.
Ich liebe es, mit meinem Seil zu führen, zu halten – oder herauszufordern, zu ärgern und streng zu sein.
Doch nicht immer bin ich dazu aufgelegt. Nicht immer kann ich den Raum zu der schönen Erfahrung, die eine Shibari-Session bieten kann, für meinen Partner (Ukete) aufmachen.
Manchmal sind meine Hände fahrig, der Startknoten will mir erst beim 5. Mal gelingen. Ich bin völlig inspirationslos und die Seile scheinen sich gegen mich verschworen zu haben.
Ich fühle mich beobachtet, beurteilt, inkompetent, nicht gut genug.
…
Andermal wiederum fließt es. Die Seile sprechen zu mir, der Körper meines Ukete spricht zu mir. Im Fesseln weiß ich schon, was ich als nächstes tun will. Ich vergesse die Welt um mich herum. Es gibt nur die Seile und meinen Partner für mich. Es ist wie Meditation. Vollkommene Stille. Wir kommen uns so nah wie selten, und doch sind beide vollständig bekleidet.
Für diese Momente der Intimität fessle ich weiter.
Was ist nun der Schritt von Frust zu Lust?
Der Unterschied liegt in meiner Energie, in mir. Wie laut lasse ich meinen inneren Kritiker mit mir sprechen? Wie sehr verkrampfe ich und denke daran, wie ungeschickt ich mich anstellen könnte? Wie sehr BIN ich einfach? Im Hier und Jetzt? Und wie sehr denke ich daran, wie ich meinem Partner eine schöne Erfahrung bereiten kann? Weniger denken, mehr fühlen ist der Schlüssel 😉
Wo kannst du deine Energie shiften? Wo darfst du mehr ins fühlen, aus dem Kopf in den Körper kommen?
Seile in der Körperarbeit

Mal abgesehen von dem ganzen „Fesseln zu zweit“ kann Shibari auch für dich alleine nette Vorzüge haben. nämlich dann, wenn du mehr Gefühl für deinen Körper entwickeln willst und normale Sitzmeditation vielleicht nichts für dich ist.
Vier Wege, wie Shibari auch dir dabei helfen kann, dich mit deinem Körper zu verbinden und in einen meditativen State zu kommen.
Tatsächlich kann Fesseln nämlich sehr entspannend sein!
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1) Erkunde und entwickle dein Körperbewusstsein (entweder durch die Arbeit mit den Seilen an deinem eigenen Körper ODER durch den Umgang mit Knoten und Seilen an Körpern und im Raum)
2) Der meditative Fluss einer Fesselung kann dir helfen, deine Gefühle zu regulieren.
3) Du kannst dadurch Kontakt mit deinem Innersten aufnehmen, indem du dich einfach dem Seil und dessen Fluss hingibst.
4) Manchen fällt es leichter, in der Bewegung zu sich zu kommen – Selbstfesselungen machst du meist im sitzen oder stehen, aber bewegst deine Hände und Arme, während du dich auf dich und deine Seile fokussierst
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Kommst du besser in leichter Bewegung bei dir an oder in kompletter Ruhe?
Dos & Don’ts, wenn du mit Shibari beginnen möchtest
Zuletzt noch ein paar Caveats in dieser Grafik zusammengefasst, wenn Shibari dich interessiert.
Ich bringe mir viel über online Tutorials bei, habe jedoch den Anfang in einem Kurs an der Uni gelernt. Dort lernte ich bereits kennen, dass das Seil an manchen Körperstellen besser nicht entlang laufen soll.
Etwa einmal im Jahr besuche ich einen Präsenzworkshop, um meine Kenntnisse aufzufrischen und zu erweitern. Auch, wenn ich ausschließlich am Boden fessle, sind mir Techniken zum händeln eines größeren, schwereren Partners (ich fessle vA Männer) immer willkommen.
Auch dir möchte ich das raten. Besonders, wenn dich Hängebondage interessiert, ist ein Kurs unabdinglich.

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Weiterführender Artikel: Scham durch Shibari transformieren
